Unternehmensimmobilien gemeinsam anpacken
Von Dr. Daniel Wurstbauer, Iris Kosubek
Lieferketten als Achillesferse in der Coronakrise
Zuerst traf es die Autoindustrie, wenig später weitere Industriezweige. Die deutschen Autobauer spürten bereits ab März dieses Jahres, dass die Covid-19-Pandemie sie schwer trifft. Warum war das so? Die Automobilwirtschaft ist ein Paradebeispiel für ein globalisiertes Wirtschaftssystem, wie es in den vergangenen Jahrzehnten und mit erhöhtem Tempo in jüngster Zeit entwickelt wurde. Die Zulieferproduktion wurde aus Kostengründen mehr und mehr ins Ausland verlagert, vorzugsweise nach China und in andere asiatische Länder.
Unter den coronabedingten Einschränkungen, es musste noch nicht einmal ein vollständiger Lockdown sein, zeigt diese Entwicklung ihre Schwachstellen. Grenzen wurden geschlossen oder zumindest scharf kontrolliert. Das kostet Zeit, zu viel Zeit, um eine System am Laufen zu halten, das Just in Time die produktionsnotwendigen Bauteile bei den Zulieferern abruft. Auch veränderte Ein- und Ausfuhrbedingungen behindern bis auf Weiteres dieses bislang gut funktionierende System.
Hinzu kommen Reisebeschränkungen für die eigenen Manager und Mitarbeiter wie für die Partner im Ausland. Nicht alles ist per Videokonferenz zu besprechen, Fachleute werden auch vor Ort gebraucht. Außerdem: Produktionsstopps in den jeweils von Corona stark betroffenen Ländern erzeugen Lieferengpässe, die nicht zu kompensieren sind, weil viele bislang auf einen einzigen Lieferanten setzten. In der aktuellen „AHK World Business Outlook Sonderumfrage COVID-19“ vom Juli 2020 benennen 67 Prozent der stark international vernetzten Industrieunternehmen die Reiseeinschränkungen als besonders negative Auswirkung auf ihre Geschäfte.
„Renationalisierung“ contra Globalisierung
Bei vielen Unternehmen setzt nun das Nachdenken ein, ob es nicht doch sinnvoller ist, Produktionsprozesse und Lieferketten zumindest teilweise zu regionalisieren, auch wenn das erst einmal auf Kosten der Rendite geht, weil die anderswo niedrigeren Lohn- und Produktionskosten nicht mehr ausgeschöpft werden können. Eine vollständige Rückführung ist aus Kosten- und Kapazitätsgründen freilich nicht möglich und sicher auch nicht wünschenswert und notwendig. Doch eine flexiblere Herangehensweise an die Themen Lagerung, Lieferwege, Produktionsorte können künftigen Krisen – und diese werden wohl oder übel wieder kommen – die Spitze nehmen. Wichtig ist, dass Unternehmen lernen, sich auf wechselnde geopolitische Situationen und etwas so völlig Neues wie die Coronakrise einzustellen. Dabei werden Risikomanager eine gefragte Berufsgruppe werden. Ziel aller Bemühungen wird es sein, die Abhängigkeit von den klassischen bisherigen Lieferländern, allen voran China, zu reduzieren und sich breiter aufzustellen – auch national. 38 Prozent aller Unternehmen suchen nach neuen Lieferanten, davon 63 Prozent im eigenen Land, wie die oben genannte Sonderumfrage COVID-19 weiter ausführt. Für 22 Prozent der Unternehmen komme auch eine Verlagerung von Standorten oder der Produktion in Betracht, für 62 Prozent davon ins eigene Land.
Zuletzt hat der Mangel an plötzlich strategisch wichtig gewordenen Produkten wie professioneller Schutzkleidung und Masken für die Bevölkerung ein Umdenken vom einzelnen Bürger über die Wirtschaft bis in die Politik befördert. Der Weltmarkt war leergefegt, Zwischenhändler nutzten die Situation aus und verlangten Mondpreise für eigentlich simple Produkte. Dieser Schock sitzt noch tief.
Kurze Lieferketten durch Nachverdichtung
Viele, sowohl große als auch mittelständische und kleinere Unternehmen, sind gegenwärtig auf der Suche nach Zulieferern im eigenen Land oder zumindest in Europa. Dabei können aber gerade auch die eigenen Unternehmensimmobilien eine wichtige Rolle spielen. Sie bieten in vielen Fällen erhebliches Nachverdichtungs- und Optimierungspotenzial, das mit Hilfe von Experten identifiziert und gehoben werden kann. Zu solchen Ergebnissen kommt auch der jüngste JLL-Report „Raising Capital from Corporate Real Estate“. Schon vor Corona, im Jahr 2019, erreichte der Gesamtwert der in Deutschland durch Immobilienveräußerungen erzielten Umsätze ein Rekordvolumen von 5,8 Milliarden Euro. Das ist eine Verdoppelung zum Vorjahr. Hintergrund waren hier noch die Absichten, aus Immobilien, die nicht für das Kerngeschäft benötigt werden, Gewinn zu erzielen, um die Liquidität, aber auch die Flexibilität zu erhöhen. Letzteres wird unter Corona-Bedingungen immer wichtiger. Auch der Deutsche Anlage-Immobilien Verbund (DAVE) stellte jüngst fest, dass der bereits in den vergangenen Jahren zu beobachtende wachsende Handel mit Unternehmensimmobilien durch Corona offenbar noch einmal beflügelt wurde.
Dafür gibt es vielfältige und erfolgversprechende Methoden. Der eigene Grund und Boden kann weiterhin selbst genutzt, jedoch veräußert und zurückgemietet (Sale and Lease Back) oder gemeinsam mit einem erfahrenen Partner im Zuge eines Joint Ventures entwickelt werden. Über die Vorteile und Fallbeispiele zu Joint Ventures berichteten wird in der vorigen Ausgabe Nr. 3 dieses CREM-Newsletters.
Die aktuellen Probleme in der Coronakrise wirken wie ein Brennglas. Sie verdeutlichen die Chancen, die damit verbunden sind, über Produktionsverlagerungen ins eigene Land oder die eigene Region nachzudenken, die eigene Lagerhaltung zu verstärken und neue Lieferanten in der Nähe zu akquirieren. Auch die Bedeutung heimischer Forschungs- und Entwicklungszentren, man denke an die Entwicklung eines Corona-Impfstoffs, wird nachdrücklich vor Augen geführt. Nicht zuletzt können sich kürzere und regionalere Lieferketten mittelfristig aber auch als Wettbewerbsvorteil hinsichtlich der immer bedeutsamer werdenden ESG- und Nachhaltigkeitsbestrebungen erweisen.
Experten für die Entwicklung von Unternehmensimmobilien
Es lohnt sich also, die eigenen Immobilienbestände kritisch zu prüfen und hinterfragen. Die bestehenden, oft viel zu großen oder unpassend gewordenen Flächen besser und flexibel zu nutzen und weiter zu entwickeln, wird nicht zuletzt auch aufgrund der aktuellen Anforderungen durch die Coronakrise zunehmend interessant. Gemeinsam mit einem spezialisierten Entwickler können diese Potenziale gehoben werden, ohne unnötigerweise Kapazitäten aus dem Kerngeschäft zu binden. BEOS und Corpus Sireo verfügen über die notwendige langjährige Erfahrung und das Know-how, um Potenziale von Unternehmensimmobilien gemeinsam zu heben und Standorte nachhaltig weiter zu denken und entwickeln.
FLEXIBEL REAGIEREN – SCHUTZMASKEN AUS DEM KARLSPARK
Wie allgegenwärtig die im vorigen Artikel beschriebene Situation ist, zeigt ein aktuelles Fallbeispiel aus dem Portfolio der BEOS AG. Kurzfristig konnte die BEOS AG im „Technologiepark Karlspark“ in Karlsruhe eine 1.400 Quadratmeter große Fläche für die Produktion dringend benötigter FFP2-Schutzmasken zur Verfügung stellen. Mit einem extrem schnellen und unbürokratischen Mietvertragsabschluss konnte so ein wertvoller Beitrag zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie geleistet werden und die Produktion wichtiger Güter im Inland kurzfristig sichergestellt werden.
Zwischen der ersten Begehung durch den Mietinteressenten und dem Vertragsabschluss lagen gerade einmal zweieinhalb Wochen. Nach lediglich sechs Wochen begann bereits die Produktion medizinischer Schutzausrüstung durch die für diesen Zweck erst im April eigens gegründete Medical Protection Equipment GmbH. Angestrebt wird die Herstellung von bis zu 200.000 Masken täglich. Das Unternehmen ist mit einem Projektauftrag der Bundesregierung ausgestattet und arbeitet darüber hinaus auch für Drittabnehmer.
Der heutige „Technologiepark Karlspark“ ist ein seit 1960 existierender Industriestandort in Knielingen, einem westlich gelegenen Stadtteil von Karlsruhe. Zwölf Gebäude bieten eine Mietfläche von insgesamt 81.000 Quadratmetern. Die ehemalige Siemens-Liegenschaft wurde von BEOS im Zuge einer „Sale & Lease Back“ Transaktion 2016 erworben und seitdem kontinuierlich weiterentwickelt. Die Liegenschaft zeigt deutlich die erheblichen Potenziale von ehemals eigenbetrieblich genutzten Unternehmensimmobilien im Hinblick auf Nachverdichtung, Reversibilität und Flexibilität. Potenziale wie diese schlummern noch in vielen Immobilienbeständen der deutschen Unternehmenslandschaft.