24. Februar 2014

Wenn der Mieter den Ton angibt - mit hoher Verhandlungsmacht umgehen

24. Februar 2014

Real Estate is space and money over time, sagte Graaskamp, ein bekannter Immobilienökonom. Ein Quadratmeter Mietfläche kennt grundsätzlich nur zwei Zustände: vermietet oder unvermietet. Ist er vermietet, dann produziert er in der Regel eine Rendite für den Eigentümer und erlaubt Ausschüttungen auf das eingesetzte Kapital. Ist er unvermietet, dann entstehen Kosten und die Ausschüttung bleibt aus. Wichtigste Voraussetzung für eine funktionierende Immobilieninvestition ist also, dass der Quadratmeter vermietet ist – und bleibt.

 

In der Immobilienwelt wird häufig nur der Renditestrom aus dem Quadratmeter betrachtet, der den Quadratmeter anmietende Mensch wird dagegen häufig ausgeblendet – als gebe es ihn überhaupt nicht. Die Annahme ist vielmehr: Immobilien werden vermietet, weil sie da sind und weil der Markt eine bestimmte Marktmiete produziert. Und Investoren müssen nur die richtige Immobilie am richtigen Standort auswählen, dann wird diese immer wieder vermietet. Andererseits wird geglaubt, dass der Leerstand einer Immobilie vor allem vom Markt herbeigeführt wird und der Zyklus daran schuld ist, oder die dann doch nicht so gute Immobilie. Ausgeblendet wird dabei nicht nur der Mensch, sondern auch die Tatsache, dass es auch im schlechtesten Markt neben den leerstehenden durchaus vermietete Objekte gibt. Ein Asset Manager beschrieb die allgemein übliche Wahrnehmung mir gegenüber einmal wie folgt: Wenn es in der Vermietung gut laufe, dann sei es aufgrund seiner guten Leistungen, wenn es schlecht laufe, dann sei es der Markt.

 

Die Vermietung eines Objektes ist eine Sache zwischen dem Eigentümer und dem Mieter: Menschen führen eine Verhandlung, die einen Vertragsabschluss zur Folge hat. Im Ergebnis wird die Fläche für eine bestimmte Zeit gegen Geldzahlung überlassen. Etwas Entscheidendes wird dabei in aller Regel sowohl in der Praxis als auch in der Wissenschaft ausgeblendet: die Verhandlungsmacht des Mieters und die des Vermieters. Sie hat essentiellen Einfluss auf den langfristigen (Vermietungs-)Erfolg einer Immobilie und soll nachfolgend beleuchtet werden. Verhandlungsmacht ergibt sich in einer Vertragsverhandlung aus einer Vielzahl von Komponenten. Sie ist nicht einfach da, sie baut sich auf und wieder ab, hängt von den Menschen und ihrem Verhalten ab, aber auch von harten Fakten.

 

Zum Einstieg ein Exkurs: Bei der Vermietung von Wohnraum wurde die Verhandlungsmacht des Vermieters durch den Gesetzgeber brutal gebrochen, der Eingriff in die Eigentumsrechte geht sehr weit. Der Vermieter kann über seine Flächen nicht frei verfügen, er darf sie nicht verändern, sogar der Anspruch auf eine angemessene Rendite wird ihm zunehmend abgesprochen.

 

Im Gewerbebereich ist das zum Glück anders, es herrscht weitgehende Vertragsfreiheit. Der Vermieter darf die Flächen zu jedem Preis und in jeder Form anbieten. Er kann sie nur für einen Tag oder für zwanzig Jahre vermieten, wenn er dafür einen Nutzer findet. Zur Illustration soll ein für den Büromietmarkt sehr typischer Fall der Nachvermietung mit einigen Variationen dienen:

Ein Eigentümer besitzt eine 10 Jahre alte Büroimmobilie in guter Lage in Frankfurt. 2004 hat er die halbe Fläche an eine bekannte deutsche Anwaltskanzlei für 25 €/qm vermietet. Der Erstmietvertrag läuft Ende 2014 aus. Der Vermieter bittet den Mieter am Ende Februar 2014, 10 Monate vor Ablauf des Mietvertrages, zu einem Gespräch über dessen Verlängerung. Wie beurteilen Sie die Verhandlungsmacht des Mieters, wenn Sie folgende Informationen haben:

  • Der Mieter will wachsen und benötigt dringend weitere Flächen.
  • Der Mieter ist bereits vor einem Jahr von dem Entwickler des Neubaus auf dem Nachbargrundstück angesprochen worden.
  • Der Mieter zahlt nach 10 Jahren Indexierung nun 30 €/qm, die Marktmiete liegt heute darunter, insbesondere für Bestandsflächen, die 10 Jahre alt sind.
  • Sie wissen, dass der Developer des Nachbargrundstücks für den Abschluss eines frischen 10-Jahresvertrags ein Jahr mietfreie Zeit gewährt und auch das komplette Umzugsmanagement übernimmt.
  • Der Mieter ist sehr um seinen grünen Fußabdruck bemüht, hat einen CSR-Report herausgegeben, und ihr Gebäude ist natürlich aufgrund seines Baujahrs noch nicht zertifiziert, das Nachbarobjekt dagegen schon.

 

Die Fakten sprechen ein klares Bild. Der Mieter hat eine turmhohe Verhandlungsmacht und der Vermieter kaum eine Chance, den Mieter weiter zu binden, es sei denn über erhebliche Preiszugeständnisse. Eine echte Verhandlung findet hier kaum statt. Interessant ist die Veränderung der Machtkonstellation, wenn wir einzelne Parameter verändern: etwa wenn die Marktmiete deutlich über die 30 € gestiegen sein sollte, etwa wenn der andere Mieter im Haus ebenfalls wachsen will und sein Interesse an der Flächenübernahme signalisiert hat, oder wenn der Developer des Nachbargeländes sein Objekt bereits erfolgreich vermieten konnte. Erwähnenswert ist auch die verwegene Taktik einiger Eigentümer, einfach nur den Verhandlungstermin deutlich zu verschieben, etwa auf einen sehr späten Zeitpunkt kurz vor Vertragsablauf, der den Parteien die Reaktionsmöglichkeiten nimmt.

 

Spannender ist die Verhandlungssituation bei durchschnittlichen Standardflächen, bei denen Mieter und Vermieter eigentlich gar kein Veränderungsinteresse haben, und einfach nur der Mietvertrag ausläuft. Nehmen wir wieder den Fall der Kanzlei. Die Partner wollen grundsätzlich im Objekt bleiben und bitten einen der Anwälte, den Markt zu sondieren und mit dem Vermieter zu verhandeln. Der Vermieter hat dem Mieter damals zwei marktübliche Verlängerungsoptionen um je 5 Jahre gewährt. Interessant ist die Überlegung, wie die folgenden Aspekte die Verhandlungsmacht auf beiden Seiten beeinflussen:

  • Der Vermieter weiß, dass der Mieter wahrscheinlich nicht einfach seine Option ziehen wird, sondern in der Verhandlung etwas für sich rausholen will.
  • Der Vermieter weiß, dass der Mieter einen Makler eingeschaltet hat, um alternative Flächenangebote zu sondieren.
  • Der Vermieter weiß, dass der Mieter bei einem Umzug in ein anderes Objekt wahrscheinlich eine etwas günstigere Miete kontrahieren könnte.
  • Der Vermieter weiß, dass den Mieter einige Aspekte im Haus stören, etwa der zu langsame Aufzug, ein paar fehlende Stellplätze und die inzwischen veralteten Sanitärräume sowie die abgenutzten Oberflächen.
  • Der Mieter weiß, dass ein anderer Mieter im Haus expandieren möchte, weil der Vermieter mit ihm vor zwei Wochen die Kanzleiräume besichtigt hat.
  • Der Mieter weiß, dass der Vermieter die Kompetenz und ein Budget hat, um Flächen zu modernisieren.

 

Hier kommt es zu einer ausgewogeneren Verhandlungssituation und der Vermieter muss zeigen, dass er mit Mietern verhandeln und vermieten kann. Da beide Seiten in ihrer Entscheidung frei sind, die Verhandlung auch scheitern zu lassen, kommt dem individuellen Austarieren der gegenseitigen Erwartungshaltungen eine besondere Bedeutung zu. Dabei ist es klar, dass zumeist der Mieter in einer besseren Ausgangslage für die Verhandlung ist. Vorausgesetzt, dass der Markt funktioniert und es alternative Flächenangebote gibt, um die er sich rechtzeitig gekümmert hat, hat er gegenüber dem Vermieter die Trümpfe und das Spiel in der Hand.

Ein sehr wichtiges Element in der Verhandlung ist, wer sich gegenüber sitzt – hier kommt wiederum der erwähnte „Faktor Mensch“ deutlich zum Tragen. Auf Mieterseite gibt es regelmäßig den erfahrenen Geschäftsführer, der zwar kein Immobilienprofi ist, aber gut verhandeln kann. Neben ihm sitzt häufig ein Makler, der nur dann sein Honorar erhält, wenn der Mieter auszieht. Auf Vermieterseite lässt sich der Eigentümer zumeist durch einen jungen Hausverwalter oder Asset Manager vertreten. Warum viele Eigentümer den äußerst sensiblen Punkt der Nachvermietung komplett aus der Hand geben, bleibt dem Mieter meist verborgen. Was er aber sehr deutlich mitbekommt, ist, dass der Eigentümervertreter nicht am Tisch entscheiden kann. Vielmehr bekommt der Dienstleister die zu erzielende Miete vorgeschrieben, häufig handelt es sich um die fortgeschriebene indexierte Vertragsmiete oder synthetische Vergleichsmieten. Das Budget ist fixiert und der Spielraum häufig gleich null, da der Auszug des Nutzers im Businessplan nicht vorgesehen ist, so dass die vermieterseitige Verhandlungsmacht von Anfang an sehr beschränkt ist. Diese Strategie mag mitunter auch erfolgreich sein, wenn der Mieter nolens volens bereit ist, in den sauren Apfel zu beissen und dann doch lieber bleibt. Sie ist jedoch mit hohen Risiken verbunden und kann langfristig auch nicht funktionieren, da das zu vermietende Produkt altert und die Nutzerseite sich verändert. Insofern sollte sich der Eigentümer besser professionell aufstellen und die Nachvermietung aktiv gestalten.

 

Das Asset Management bei der BEOS AG dreht sich um den Mieter als Kunden. Das Verhältnis zum Mieter ist dabei durch einen integren und partnerschaftlichen Umgang geprägt. Der sich dadurch ergebende offene und persönliche Umgang ist vielen Mietern zunächst fremd, schafft dann aber Vertrauen. Diese Ausrichtung erfordert gut ausgebildete Asset Manager, die sich für das Geschäft des Nutzers interessieren und den Geschäftsführern auf Augenhöhe begegnen. Mieter werden regelmäßig besucht, nicht um über den Vertrag zu sprechen, sondern über Möglichkeiten, die Geschäftsentwicklung des Nutzers aktiv zu begleiten.

 

Businesspläne sehen die Bereitschaft zur Übernahme und Finanzierung von baulichen Investitionen für den Nutzer (gegen entsprechende Mehrmiete) vor. Und wenn ein Kunde schwächelt, dann wird ihm die Möglichkeit eingeräumt, Flächen auch teilweise wieder zurückzugeben. Opportunistische Verhandlungssituationen und einseitige Verhandlungsmacht werden weder aufgebaut noch genutzt, vielmehr werden beidseitige Handlungsmöglichkeiten offengelegt und Interessen im Vorfeld zum Ausgleich gebracht. Diese Art des fairen Austauschs gelingt nicht mit allen Mietern, aber bei fast allen und im Ergebnis kommt es zu langfristig stabilen Objekten.

 

Mit freundlicher Empfehlung
Dr. Stephan Bone-Winkel

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